Auf dem Weg von einer funktional zu einer prozessorientiert organisierten Verwaltung wird häufig über die Prozessverantwortung diskutiert. Dies ist ein sensibles Thema, da es hier um die Verschiebung – mindestens fachlicher – Weisungskompetenz geht. Dabei wird in der Regel nur die Situation nach der Optimierung betrachtet, also wenn die Abläufe festgelegt sind und „nur“ noch gesteuert werden muss. Dass zur Prozessverantwortung auch die Festlegung der Abläufe und die Einführung von Standards gehört, wird dabei häufig übersehen.
Den optimalen Soll-Prozess gibt es für keinen Prozess. Die Determinanten Qualität, Kosten und Zeit bedingen sich und müssen in der Regel gegeneinander abgewogen werden. So unterscheidet sich der optimale Soll-Prozess von Kommune zu Kommune in Abhängigkeit von der konkreten Zielsetzung. Ich möchte das an einem Beispiel deutlich machen. Ein interner papiergebundener Antrag, der verschiedene Ämter durchläuft soll digitalisiert werden. In der analogen Welt steht es außer Frage, dass alle Anträge über den Schreibtisch des Vorgesetzten gehen und von dort aus auf die jeweiligen Sachbearbeitenden verteilt wird. Im Zuge der Soll-Modellierung kommt nun die Frage auf, ob dies auch in die digitale Welt übertragen werden soll. Gehen die Anträge in Zukunft direkt an die Sachbearbeitenden und werden dem Vorgesetzen bearbeitet zur Mitzeichnung vorgelegt, so lässt sich die Durchlaufzeit deutlich verkürzen. Vorgesetzte sehen hier aber die Gefahr, dass in ihrem Verantwortungsbereich Anträge bearbeitet werden von denen sie keine Kenntnis haben. Bleibt man bei der hergebrachten Verfahrensweise so ist im Bezug auf die Durchlaufzeit nur wenig gewonnen.
In Spannugsverhältnissen dieser Art sind bei der Soll-Modellierung in der Regel etliche Entscheidungen zu treffen.Aufgabe des Modellierers sollte es nun sein die verschiedenen Alternativen mit dem jeweiligem Vor- und Nachteilen – eventuell mit einem Entscheidungsvorschlag – den Entscheidungsträgern vorzulegen.
Die Praxis sieht oft anders aus
In der Praxis ist es häufig so, dass Entscheidungsträger einen in allen Belangen optimierten Soll-Prozess erwarten und im Zuge des Projektes die Entscheidungsgewalt faktisch auf den Modellierer übertragen. In dem Augenblick wird auch die faktische Prozessverantwortung auf den Modellierer übertragen.
Der Modellierer legt nun fest wer, was wann und die bearbeitet. Er erarbeitet zusammen mit den ausführenden Stellen Standards und Qualitätsanforderungen und gießt all dies in ein Soll-Modell.
Damit meine ich keineswegs, dass dem Modellierer zusätzliche Kompetenzen im Sinne der Dienstverteilung verliehen werden. Vielmehr wird ihm dies zuteil, da er ein fertiges Modell vorlegen soll, statt einiger Entscheidungsalternativen. Dieses nimmt natürlich noch seinen Weg durch die Instanzen bevor es umgesetzt wird und bekommt so seine Legitimation. Im schlimmsten Fall werden auf diesem Weg noch Anpassungen am Modell vorgenommen, die aus Sicht des einzelnen Sinn haben mögen, häufig aber die Sicht auf den Gesamtprozess vernachlässigen. Den einzelnen Entscheidungsträgern ist dabei nicht mal ein Vorwurf zu machen, da mangels Abwägungsdarstellungen, die einzelne Entscheidung für einen Ablauf gar nicht nachvollzogen werden können. In der Praxis passiert nun das was von Beginn an hätte gemacht werden sollen. Das Modell wird gemeinsam besprochen, verschiedene Alternativen geprüft und es ist nicht unwahrscheinlich, dass am Ende das ursprünglich vorgelegte Soll-Modell beschlossen wird.
Damit ist die Arbeit des Modellierers aber noch nicht getan. Neben der Verantwortung für die Umsetzung (auf die ich an dieser Stelle nicht eingehen möchte) bleibt die Prozessverantwortung auch über die Umsetzungsphase hinaus noch bestehen. Er ist nun derjenige, der den Prozess im Detail kennt und mindestens bei Fragen zum Ablauf konsultiert wird, nicht selten aber auch zu fachlichen Fragen Stellung nehmen soll. Wieder liegt die faktische Prozessverantwortung beim Modellierer.
Wie kann eine Alternative aussehen?
Der Modellierer sollte in der Kommune als Dienstleister betrachtet werden. Er verfügt über das Wissen die richtigen Werkzeuge richtig anzuwenden. Er beschreibt den Prozess, wägt ab, erarbeitet – im Idealfall mit den Fachleuten vor Ort – Alternativen und legt diese vor. Er steht den Entscheidungsträgern als Berater zur Seite, da er den Gesamtüberblick über den Prozess hat. Er fungiert als Schnittstelle zwischen den beteiligten Fachämtern und der IT, falls diese beteiligt ist. In der Umsetzungsphase kann er die Koordination des Umsetzungsprojektes übernehmen, nicht aber die Projektverantwortung. Nach erfolgter Umsetzung sollte er weiterhin als Berater zur Verfügung stehen. Die kontinuierliche Verbesserung des Prozesses liegt aber in der bestenfalls schriftlich fixierten Verantwortung des Prozessverantwortlichen vor Ort.