Street-Food-Markt, Rheinkirmes oder Stadtfest überall sind Imbissstände zu finden und immer wieder möchte ich in den Wagen stürmen und umorganisieren. Ich kann nicht raus aus meiner Haut und stehe ungern in einer Schlange, weil die Abläufe schlecht organisiert sind. Häufig reicht die Wartezeit schon aus, um die gröbsten Schwachstellen zu erkennen. Nun steht hinter einer Imbissbude in der Regel keine Organisationsabteilung, deren Auftrag es ist, die Abläufe zu optimieren. Anders sieht es hoffentlich bei der Supermarktkette Kaisers aus. Als ich die Tage dort an der Kasse stand ist mir etwas aufgefallen, was mich veranlasste, diesen Artikel zu schreiben. Ein Beispiel aus der Digitalisierungswelt des hochgelobten Landes der Privatwirtschaft.

Zunächst aber zurück zu den Imbissbuden. Für mich stand vorher schon fest: Ich möchte Backfisch auf der Kirmes essen. Eine Bude mit überaus einladender Auslage war schnell gefunden und ich nehme vorweg, dass ich vom Produkt nicht enttäuscht wurde. Allerdings war ich kurz davor, eine andere Bude zu suchen, da die Warteschlange davor recht lang war. Vielleicht ist es Methode, da eine lange Warteschlange suggeriert, dass es ein gutes Produkt geben muss. Bei Clubs und Diskotheken in den großen Städten wird die Länge der Warteschlange durchaus als Qualitätsmerkmal empfunden und deswegen künstlich lang gehalten. Aufgrund des großen Alternativangebots auf der Kirmes denke ich aber, dass die lange Warteschlange mehr Leute abschreckt als anzieht. Nun, was habe ich am Fischimbiss beobachtet? Der Wagen schien in drei „Abschnitte“ eingeteilt zu sein: Backfisch, verschiedene Fischbrötchen und Kibbeling. Bei den Fischbrötchen und Kibbeling war jeweils eine Mitarbeiterin eingeteilt, beim Backfisch hat ein Mitarbeiter frittiert und eine den Backfisch ins Brötchen gelegt, eventuell mit Soße versehen und kassiert. Alle Wartenden wollten ausschließlich Backfisch. Fischbrötchen oder Kibbeling wurden nicht ein einziges Mal verkauft in der Zeit, in der ich gewartet habe.

Eine einfache Maßnahme

Zwei von vier Mitarbeitenden standen also lediglich herum, während sich die Kunden die Beine in den Bauch standen. Was hätten Sie in dieser Situation verändert? Wäre ich der Chef, so hätte ich umgehend eine der Mitarbeiterinnen der anderen „Abschnitte“ zum Kassieren eingeteilt. Die Dame an der Fischbrötchenausgabe hätte also lediglich die Fischbrötchen herrichten und ausgeben müssen, während eine Mitarbeiterin bereits die Bestellung aufgenommen und kassiert hätte. Wohlgemerkt, in diesem Abschnitt gab es ausschließlich Backfisch „natur“, mit Knoblauchsoße oder mit Remoulade.  Eine schwierig zu bedienende Schnittstelle wäre nicht entstanden. Ich wäre sogar soweit gegangen, gar keine Schnittstelle zu schaffen. Die Ausgabe hätte bei mir einfach den Kunden gefragt, wie er seinen Backfisch denn gerne hätte. Das Risiko, dass ein Kunde einen Backfisch zu 4,50€ bezahlt und sich einen mit Soße zu 5€ ergaunert wäre ich eingegangen. Abgesehen von den hygienischen Vorteilen die sich ergeben, wenn die Zubereitung kein Geld in die Hand nehmen muss, wären die zeitlichen Einsparungen enorm gewesen. Denn der Kassiervorgang dauerte länger als die Herrichtung des Backfischbrötchens.

Und Tengelmann?

Stellen Sie sich folgende Situation vor: Ein Supermarkt, drei Kassen, zwei sind besetzt und ich stehe an der mittleren. An der anderen geöffneten Kasse möchte ein Herr „Kartoffeln lose“ kaufen. Lose Kartoffeln haben keinen Barcode und werden an der Kasse gewogen. Damit die Kasse aber nun weiß, mit welchem Betrag sie das Gewicht multiplizieren muss, muss der Kassierer den Code für „Kartoffeln lose“ eingeben. Diesen kann er in einer Papierliste nachschlagen bzw. könnte, wenn sie den Code denn enthielte. Daraufhin der Klassiker an Supermarktkassen:

Kassierer Kasse 1: „Irene (Name von der Redaktion geändert), welche Nummer haben die Kartoffeln lose?“
Kassiererin Kasse 2: „Ich glaube: 4711.“
Kassierer 1 tippt 4711 ein.
Kassierer Kasse 1:„Nein, das sind die Gurken.“
Kassiererin Kasse 2: „Ich schau mal eben an Kasse 3. Da hängt eine längere Liste.“
Kassiererin von Kasse 2 geht zu Kasse 3 und schlägt in der dortigen Liste „Kartoffeln lose“ nach.
Kassiererin Kasse 2: „0815.“
Kassierer 1 tippt 0815 ein.
Kassierer Kasse 3: „Danke!“

Halten wir fest was sich ergeben hat:

  • Die Mitarbeitenden sitzen an Kassen mit Touchscreen, die mit Sicherheit über ein Netzwerk die aktuellen Preise abrufen.
  • Für Waren deren genauer Preis erst an der Kasse ermittelt werden kann (z. B. Obst und Gemüse) liegen an den Kassen Papierlisten mit Warencodes.
  • Die Papierlisten unterscheiden sich!
  • Kassierer 1 hat ein Problem, Kassiererin 2 kann es per Zuruf nicht lösen und verlässt ihre Kasse zur Problemlösung. Kassierer von Kasse 1 wartet. 100% der geöffneten Kassen sind blockiert.
Alles getan, nur nicht digitalisiert!

Nun kann man allerdings nicht behaupten, es würde nichts getan, um diesen Ablauf so reibungslos wie möglich zu gestalten. Die Papierlisten sind in Plastikrahmen gefasst und auf einer Konstruktion montiert, so dass diese schnell durchgeblättert werden können. Nachteil: Die Listen lassen sich in diesen Rahmen nicht schnell austauschen. Anders kann ich mir nicht erklären, warum an den Kassen unterschiedliche Listen existieren. Mir ist nun völlig unverständlich, wieso diese Listen nicht im System hinterlegt sind. Alle Kassen sind mit berührungssensitiven Displays ausgestattet, womit es ein Leichtes wäre, eine Suchfunktion mit Autovervollständigung einzubauen. Wenn es nicht so komfortabel gehalten werden soll, dann würde auch schon die reine Hinterlegung der Liste reichen und der Kassierer scrollt sich bis „K“ durch. Abgesehen davon, dass es schneller gehen würde, wäre bei zentraler Pflege auch immer garantiert, dass alle eine aktuelle Liste zur Verfügung haben. Wie werden die Papierlisten wohl aktualisiert? Irgendwann müssen die „Kartoffeln lose“ auch mal auf die eine Liste gekommen sein. Werden die Nummern etwa von der Zentrale per Mail gemeldet und in der Filiale ändert ein Mitarbeiter händisch eine Worddatei?

Ist das die digitale Spaltung?

Nur zwei Tage nach diesem Erlebnis habe ich einen sehr spannenden Vortrag von Herrn Thomas Langkabel (National Technology Officer bei Microsoft) gesehen. Auf dem Kommunalkongress 2017 hat er einen Vortrag zum Thema „Digitalisierung – Wo geht die Reise hin“ (Link zu Youtube) gehalten und unter anderem die im Titelbild gezeigte Folie verwendet. Dargestellt wird die Innovationslücke zwischen Verwaltung, Gesellschaft und Wirtschaft. Zweifellos, es gibt weite Zweige der Wirtschaft und der Gesellschaft, die, was die Digitalisierung angeht, besser aufgestellt sind als die öffentliche Verwaltung. Weiterhin können die Papierlisten an den Kassen auch kein wirklicher Gradmesser für die Digitalisierung in der Wirtschaft sein. Aber das ist das, was der Kunde sieht und zwar an der fürs Unternehmen wichtigsten Stelle, dort wo das Geld eingenommen wird. Zumal Kaisers sicher kein Supermarkt ist, der die Kunden durch Kampfpreise anlockt, sondern eher durch Qualität und „Einkaufserlebnis“. Wenn es an der Kasse so läuft, wie steht es wohl um die Digitalisierung hinter den Kulissen? Ich meine jetzt nicht die Logistik. Hier stelle ich mir vor, dass die Digitalisierung weit vorangeschritten ist. Ich frage mich, wie es in den Verwaltungsgebäuden solcher Unternehmen aussieht, und jetzt beziehe ich mich nicht auf einzelne Ketten oder die Lebensmittelbranche. Ich meine den Verwaltungsapparat der Wirtschaft. Gerne würde ich hier einmal Mäuschen spielen und mir die Innovationslücke aus der Nähe anschauen.

Über die BPMN wird im kommunalen Umfeld in letzter Zeit viel gesprochen. Manches davon stimmt sogar, vieles aber auch nicht. Um der Wahrheit auf den Grund zu gehen, gibt es aber nicht nur einen Lichtblick, es gibt einen strahlenden Sonnenschein der Erleuchtung: Die Spezifikation der BPMN. Die von der Object Management Group herausgegebene Spezifikation der BPMN – und nur sie – definiert Syntax und Semantik der BPMN! Wozu dann noch ein Wissen und Werkzeug Prinzip? Antworten gibt dieser Artikel.


Ich habe im letzten Artikel bereits erwähnt, dass die BPMN sehr komplex sein kann und eine umfangreiche Symbolpalette mitbringt. Als wäre das nicht schon genug, lässt der strahlende Sonnenschein der Erleuchtung (die Spezifikation) auch noch die Möglichkeit, den gleichen Sachverhalt auf unterschiedliche Art und Weise zu modellieren. Um den Einstieg in die BPMN zu erleichtern und gleiche Sachverhalte möglichst gleich zu modellieren, habe ich das Wissen und Werkzeug Prinzip entwickelt.

Der Grundsatz: Artikel 1 des Wissen und Werkzeug Prinzips

Die Spezifikation der BPMN ist unantastbar! Ich gebe zu: Es ist etwas hochtrabend und überspitzt formuliert, aber als Grundsatz gilt: Alle Regeln halten sich streng an die Spezifikation. Nach dem Wissen und Werkzeug Prinzip erstellte Prozessmodelle sind demnach 100% mit der Spezifikation konform! Daraus ergibt sich, dass die Bedeutung der Symbole nicht angetastet wird. Ich beschränke lediglich den Umfang der Symbole und mache einen Vorschlag, wie bestimmte Sachverhalte modelliert werden sollten.

Zwei Level der Modellierung

Was die Einschränkung der Symbolpalette betrifft, streiche ich natürlich keine Symbole. Vielmehr führe ich zwei Level der Modellierung ein. Das Basis-Level, mit allen Symbolen, die für eine fachliche Modellierung benötig werden, und das Experten-Level, das alle zur Verfügung stehenden Symbole beinhaltet. Die BPMN selbst sieht eine Dreiteilung in eine beschreibende Ebene (Descriptive), eine analytische (Analytic) und eine ausführbare Ebene (Common Executable) vor. Hierbei wird aber eine stark technische Sicht eingenommen und die Einteilung richtet sich hauptsächlich an Softwarehersteller. Mir war es wichtig ein Prinzip zu schaffen, mit dem sowohl in der Organisation, in der Fachabteilung als auch in der IT Modelle erstellt werden können, die leicht zu erstellen und für alle verständlich sind. Dazu musste ich einen Ausgleich zwischen Komplexität, Präzision und Verständnis des Modells finden. Ob mir dies gelungen ist, beurteilen Sie am besten selbst.

Die Münze

Die formale Korrektheit eines BPMN-Diagramms lässt sich am besten mit Hilfe einer Münze (im Englischen: Token) überprüfen. Stellen Sie sich vor, jede Prozessinstanz (z. B. ein Antrag) erzeugt eine Münze, die durch den Prozess wandert. Sequenzflüsse, Verzweigungen, Ereignisse etc. sagen der Münze was sie zu tun hat und wie sie weiter-wandert. In Seminaren mache ich eine Übung, in der ich die Teilnehmenden mit einer Münze Modellierungsfehler im Prozess suchen lasse. Der Erkenntnisgewinn dieser einfachen Methode ist nicht zu unterschätzen. Die Spezifikation selbst, wie auch der überwiegende Teil der BPMN-Literatur, verwendet dieses Verfahren. Die genaue Funktionsweise erläutere ich am folgenden Beispiel.

Beispiel Exklusive-Verzweigung

Damit sich jeder vorstellen kann, was ich meine, wenn ich sage, dass der gleiche Sachverhalt auf unterschiedliche Weise modelliert werden kann, möchte ich ein Beispiel anführen. So lässt sich eine Exklusive-Verzweigung auf folgende Arten darstellen.

Wobei hier schon der Teufel im Detail steckt. Im vorliegenden Beispiel haben alle drei Modelle tatsächlich die gleiche Bedeutung, da sich die Bedingungen ausschließen, was sie beim linken und mittigen Beispiel auch müssen, sonst läge ein Modellierungsfehler vor. Die bedingten Sequenzflüsse (rechts) könnten allerdings auch für die Modellierung einer Inklusiven-Verzweigung stehen. Ein Detail, das sich nicht intuitiv erschließt, weshalb bedingte Sequenzflüsse im Wissen und Werkzeug Prinzip keine Verwendung finden. Das linke und mittige Beispiel unterscheiden sich aber tatsächlich nur in der Darstellung, da die BPMN zwei Symbole für die Exklusive-Verzweigung kennt.

Was würde die Münze hier tun? Trifft die Münze auf eine Exklusive-Verzweigung (links + Mitte), so muss sie sich für genau einen Weg entscheiden. Könnte Sie sich für zwei Wege gleichzeitig entscheiden (z. B. Beträge überschneiden sich), läge ein Modellierungsfehler vor. Im rechten Beispiel wäre eine Überschneidung aus formaler Sicht allerdings kein Modellierungsfehler. Die Münze würde sich teilen und beide Wege gehen. Solche Feinheiten sind eher etwas für Modellierungsexperten und führen im Alltag in der Zusammenarbeit mit den Fachämtern nur zu Verwirrung. Ein simples Beispiel für die Sinnhaftigkeit einer Konvention wie sie das Wissen und Werkzeug Prinzip darstellt.

Ausblick auf die Reihe zur BPMN

Damit ist der Grundstein gelegt. Alle Vorgaben und Empfehlungen meines Prinzips entsprechen der Spezifikation der BPMN. Zudem führe ich zwei Level der Modellierung mit unterschiedlichen Symbolumfängen ein, damit auf dem Basis-Level eine einfache, verständliche und leicht zu erlernende fachliche Modellierung möglich ist und dem Experten auf dem Experten-Level alle Möglichkeiten der BPMN zur Verfügung stehen.

Im weiteren Verlauf der Reihe werde ich zunächst den grundsätzlichen Aufbau der BPMN erläutern, um im Anschluss die Symbolpalette des Basislevels vorzustellen. Dabei werde ich die Bedeutung und den korrekten Einsatz jedes einzelnen Symbols erläutern und mit Beispielen unterfüttern.

Sollten Sie es jetzt nicht mehr erwarten können, die Symbolpalette des Basis-Levels kennen lernen zu wollen, so empfehle ich das Abonnement meines Newsletters. Auf der Bestätigungsseite ist ein Link hinterlegt. Sollten Sie schon Abonnent sein, so finden Sie den Link im aktuellen Newsletter.