Eine Kommune, ein Prozess, 1000 Ausprägungen! Zugegebenermaßen ist 1000 Ausprägungen etwas überspitzt formuliert, schauen wir uns allerdings kommunale Querschnittsprozesse an, so beschleicht uns das Gefühl, es könne doch wörtlich gemeint sein. Soll ein solcher Prozess nun in einen elektronischen Workflow gegossen werden, so wird häufig viel Zeit und Geld investiert, um all diese Ausprägungen abzubilden. Der Weg den Prozess zu standardisieren, was natürlich Veränderungen nach sich zieht, wird häufig gescheut. Warum eigentlich? Ein Erklärungsversuch…
Wir haben kürzlich in einem Seminar über die Entwicklung eines elektronischen Rechnungsworkflows gesprochen. Die Pilotkommune hat den Prozess in einer Organisationeinheit aufgenommen und gemeinsam mit dem Rechenzentrum einen Prototypen entwickelt. Als dieser Prototyp nun in einer anderen Organisationseinheit derselben Kommune getestet wurde, wurde schnell klar, dass die Abläufe nicht passen und der Workflow so nicht verwandt werden könne. In anderen Organisationseinheiten existierten noch weitere Varianten eine Rechnung zu begleichen. Wie selbstverständlich war die Anforderung der Kommune alle Varianten in den Workflow zu implementieren.
Ähnliche Erfahrungen habe ich selbst auch gemacht. Derselbe Prozess, läuft in derselben Kommune, in verschiedenen Organisationseinheiten, verschieden ab und die erste Reaktion ist, all diese Varianten in den Workflow einzubauen. Ich halte dies für Dauer und Erfolgsaussichten des Projektes fatal. Ganz zu schweigen vom Pflege- und Administrationsaufwand, sollte der Workflow doch jemals eingeführt werden. Warum wird der andere Weg, die Varianten so weit wie möglich zu reduzieren oder besser noch ein einheitliches Vorgehen zu entwerfen, so häufig nicht gegangen?
Aufwand, Widerstände, mutlose Entscheidungen
In meinen Augen sind dafür drei Dinge ausschlaggebend: Aufwand, Widerstände und fehlender Mut zu Entscheidungen. Es darf nicht verschwiegen werden und sollte jedem zu Beginn eines solchen Projektes bewusst sein, dass die Standardisierung von Prozessen einen nicht zu unterschätzenden Aufwand bedeutet. By the Way kann so ein Projekt in der Regel nicht durchgeführt werden. Auf allen Seiten müssen die personellen Aufwände geschätzt und vor allem bereitgestellt werden. Ist dafür eigentlich keine Zeit, es „muss“ aber gemacht werden, dann lassen Sie es lieber sein. Wird keine Zeit zur Verfügung gestellt, muss es auch nicht gemacht werden! Geht es Ihnen allerdings ähnlich wie mir und es hört ja keiner auf Sie, so machen Sie diesen Umstand wenigstens deutlich.
Die Straße des geringsten Widerstandes ist nur am Anfang asphaltiert
Gehen wir von guten Projektvoraussetzungen aus so bleiben immer noch die scheinbar unüberwindbaren Widerstände. Die Gründe weshalb die einzelne Organisationseinheit einen Prozess auf eine bestimme Weise abarbeitet können noch so nachvollziehbar oder unverständlich, so sinnvoll oder abwegig sein, sie sind da. Und es kommt noch dicker: Diese Verfahrensweise ist die die Gewohnte! Möchten Sie diese Gewohnheiten verändern ist mit Widerständen zu rechnen. Dabei gilt grundsätzlich: Je größer die Veränderung, je größer die Widerstände. Die Veränderungen im oben genannten Prozess betreffen die beiden Bereiche technische Unterstützung und organisatorischer Ablauf. Die Widerstände gegen Digitalisierung und technische Unterstützung sind stark rückläufig. Die zunehmende Digitalisierung, ich denke hier spielt besonders die Digitalisierung im Privatleben eine Rolle, sehe ich als Grund hierfür. Außerdem ist der Mehrwert für die Mitarbeitenden häufig greifbarer.
Die größeren Widerstände treten bei der Veränderung der Gewohnheiten auf. Um diese zu umgehen wird die Technik den Abläufen abgepasst. Man kann auch die grundsätzliche Frage stellen, ob die Technik dem Menschen oder der Mensch der Technik folgen soll. Im genannten Beispiel des Rechnungsworkflows muss die Entscheidung zugunsten „die Technik muss dem Menschen folgen“ ausgefallen sein. Auch wenn eine befriedigende Antwort auf die Frage differenzierter ausfiele, so stimme ich dem Paradigma „Technik folgt dem Menschen“ grundsätzlich zu. Allerdings muss die Technik nicht jedem Weg eines jeden einzelnen folgen. Vielmehr muss festgelegt werden welchen Weg der Mensch gehen will und diesem folgt die Technik. Und genau in dieser Einigung liegt die Herausforderung.
Fällt die Darstellung des Mehrwertes für die technischen Anpassungen noch relativ leicht, so bietet die Argumentation für einen standardisierten Ablauf in der Regel größere Herausforderungen. Es ist gut möglich, dass alle beteiligten Akteure ihre Vorgehensweise anpassen müssen, da keine der bisherigen aus Perspektive der gesamten Organisation ideal ist. Dass der Organisator diese Perspektive einnimmt ist für Querschnittsprozesse elementar und vereinfacht die Sache nicht. Dadurch kann es vorkommen, dass die organisatorischen Anpassungen aus Sicht eines Einzelnen erstmal keinen Mehrwert erzeugen, für die Gesamtorganisation aber sehr wohl. Auf die Frage des Einzelnen: „Und was hab ich davon?“ kann die Antwort also durchaus „Erstmal nichts“ lauten. Aber lassen Sie sich nicht entmutigen, die Einsicht, werden die Vorteile für das große Ganze schlüssig vorgetragen sind in der Regel größer, als es sich die Beteiligten selbst eingestehen wollen.
Beispiel Reisekosten
Für letztgenanntes ist die Einführung einer elektronischen Reisekostenabrechnung ein gutes Beispiel. Die Abschaffung der Papierfahrtenbücher hatte für fahrtenbuchführende Kolleginnen und Kollegen zur Folge, dass diese das im Wagen geführte Fahrtenbuch nun nicht mehr einfach bei der Reisekostenabrechnung abgeben konnten, sondern alle Fahrten am Arbeitsplatz im System erfassen mussten. Für die Mitarbeitenden also eine echte Mehrbelastung. Dennoch waren die Widerstände gering. Zum einen hatte das mit der oben genannten fortschreitenden Digitalisierung zu tun. Zum anderen war einzusehen, dass es aus Sicht der Gesamtorganisation einige Vorteile hat, wenn die von jedem digital erfassten Daten automatisiert verarbeitet werden können, statt jedes handgeschriebene Fahrtenbuch einzeln händisch auszuwerten.
Schließlich bin ich der Überzeugung, dass Hans Kapser mit der Aussage: „Die Straße des geringsten Widerstandes ist nur am Anfang asphaltiert.“ richtig liegt. Wenn Sie den Aufwand und die Widerstände meiden, holen diese Sie ein und am Ende steht ein gescheitertes Projekt, eine Anwendung die nie richtig ans Laufen kommt und deutlich mehr Arbeit verursacht als wären Sie die Standardisierung angegangen.
Sie Sache mit den Entscheidungen
Eine Verwaltung ist eine verworrene Gemengelage aus unterschiedlichsten Interessen. Es kann nicht immer gelingen einvernehmlich einen Konsens zu erzielen. Aber selbst wenn dem so ist, so muss am Ende eine Entscheidung gefällt werden. Spätestens wenn es um Querschnittsprozesse geht ist hier die Verwaltungsführung gefragt. Diese muss den Mut aufbringen im Sinne der Gesamtorganisation, auch bei widerstreitenden Interessen eine Entscheidung zu treffen. Das Thema „Entscheidungen“ möchte ich allerdings an anderer Stellen nochmal ausführlich thematisieren, kann aber sagen wie Sie schon zu Beginn des Projektes forcieren, dass am Ende eine konkrete Entscheidung getroffen wird. Formulieren Sie einen konkreten Projektauftrag!