Wie schafft es ein Computerspiel mit sehr simpler Grafik, ohne wirkliche Story und einem sehr kleinen Budget, eine Millionen Exemplare zu verkaufen und es darüber hinaus bei Steam auf den zweiten Platz der am besten bewerteten Computerspiele zu schaffen? Die Antwort ist ganz einfach: Prozessmanagement!
Seit meiner Kindheit zählen Computerspiele zu meinen Hobbys. Ich bin der Überzeugung, dass Computerspiele die geistigen, motorischen und sozialen Kompetenzen fördern und keinesfalls reine Kindersache sind. Ich möchte hier aber keine Debatte über Sinn und Unsinn von Computerspielen lostreten. Diese Diskussion wird häufig mit viel Emotion, dafür aber umso weniger Sachverstand geführt. Vielmehr möchte ich hier ein Computerspiel vorstellen, welches mehr als 1 Millionen Käufer in den Bann gezogen hat und damit in den Bann des Prozessmanagement.
Was ist Steam?
Steam ist die weltweit größte Spieleplattform. Genaue Informationen gibt es hier.
Um welches Spiel geht es?
Factorio ist eine Produktionssimulation. Die Grafik des Spiels ist sehr simpel gehalten, womit das Spiel selbst auf Laptops mit Onboard-Grafikkarte läuft. Die Story des Spiels ist schnell erklärt: Wir stürzen mit unserem Raumschiff auf einem Planeten ab und haben zum Ziel, eine Rakete zu bauen, um in die Heimat zurückkehren zu können. Uns ist nichts geblieben als eine Spitzhacke, mit der wir die ersten Rohstoffe abbauen können. Von nun an gilt es, eine Produktion aufzubauen, die vollkommen automatisiert in der Lage ist, eine Rakete zu bauen.
Das Grundprinzip
Die ersten Rohstoffe bauen wir noch per Hand ab. Daraus bauen wir die ersten kohlebetriebenen Fördermaschinen, die wir allerdings zu Anfang noch händisch befüllen. Schnell gesellen sich dann aber zwei der Hauptakteure des Spiels hinzu: Fließbänder und Greifarme. Die Güter werden per Fließband zu den Fabriken transportiert und dort von den Greifarmen der Fabrik zugeführt. Die produzierten Waren wiederum werden per Greifarm aus der Fabrik auf ein Fließband gelegt. Damit ist das Grundprinzip des Spiels im Grunde schon erklärt.
Abbildung 1 Die einfachste Art der Produktion. Ein Produkt rein, ein Anderes raus.
Die Forschung
Bevor wir nun aber unsere Rakete bauen können, muss eine Menge an Technologie erforscht werden. Dies machen wir in Laboren, die wir ständig mit Wissenschaftspaketen bestücken müssen. Die Wissenschaftspakete müssen wir wiederum aus Gütern in Fabriken zusammensetzen lassen. Dies ist so angelegt, dass zur Erforschung aller benötigten Technologien, nahezu alle im Spiel verfügbaren Güter produziert werden müssen. Diese braucht man wohlgemerkt nicht nur in einzelnen Ausführungen, sondern müssen ständig in ausreichender Stückzahl produziert werden. So entsteht ein großes, vernetztes System, welches gut abgestimmt sein will.
Die Optimierung
Das Zusammenspiel aus der Zuführung von Rohstoffen, der Produktionskapazität und vor allem der Logistik ist perfekt gelungen. Da die Produktionsketten abhängig voneinander sind und mit höheren Technologien immer komplexer werden, entstehen immer wieder Engpässe, die das ganze System ausbremsen können. Merken wir, dass die Produktion in den Keller geht oder schlimmstenfalls an einer Stelle komplett stockt, so gilt es, die Ursache zu finden und zu beheben. Und hier spielt das Spiel seine Stärken aus. Symptom und Ursache müssen nicht an der gleichen Stelle liegen. Häufig beheben wir eine Schwachstelle und wenig später haben wir an einer anderen Stelle ein Problem, weil wir die tatsächliche Ursache nicht gefunden und behoben haben. Es gilt die komplette Produktionskette zu betrachten und herauszufinden, wo die Ursache liegt. Prozessmanagement at it‘s best.
Abbildung 2 Meine Kernfabrik
Ein wenig Mathe gefällig?
Im späteren Spielverlauf können zusätzlich elektrische Schaltungen gebaut werden, die unter anderem mit bestimmten Bedingungen verknüpft werden können. So lässt sich die Produktion bestimmter Güter präzise steuern. Da das Spiel alle relevanten Daten zur eigenen Produktion in Echtzeit zur Verfügung stellt, können mathematikbegeisterte Spieler exakt berechnen, wie viel, von welchem Gut, wann hergestellt werden muss. Dies ist aber kein Zwang um das Ziel zu erreichen. Ich selbst habe das Ziel auch ohne exakt zu rechnen erreicht.
Meine Produktionsstatistiken
Auf der Abbildung sind meine Produktionsstatistiken zu sehen. In der Minute produziert meine Fabrik derzeit 2.600 Stück Kupferkabel. Die Zahlen werden durch die Software nicht hochgerechnet. Alle im System befindlichen Güter sind zu sehen. Schaue ich mir also eine Minute lang meine Kupferkabelfabriken an, sehe ich wie 2600 Kabel auf die Bänder gelegt werden. Hier ist Vorsicht geboten! Einer gut laufenden Produktionslinie schaut man gerne mal länger als eine Minute zu…
Abbildung 3 Produktionsstatistiken meiner Fabrik
Das Spiel ist nach dem Start der Rakete nicht beendet. Es kann weitergespielt werden und es können weitere Raketen gestartet werden. Ehrgeizige Spieler bauen ihre Fabrik im Endlosspiel weiter aus und versuchen, das Intervall zwischen zwei Raketenstarts so weit wie möglich zu drücken.
Der kriegerische Teil
Natürlich ist der Planet, auf dem wir stranden, nicht unbewohnt. Die tierähnlichen Lebewesen sind von unserem Erscheinen nicht begeistert und schon gar nicht davon, dass wir eine Industrie aufbauen und somit die Umwelt verschmutzen. Zur Abwehr kann allerlei Kriegsgerät hergestellt werden und auch die Verteidigungsanlagen lassen sich automatisieren. Wer wie ich allerdings in Ruhe eine Fabrik bauen möchte und die Aufrüstung nicht besonders spannend findet, kann die Bewohner in den Einstellungen auch auf friedlich stellen. So lässt sich der kriegerische Aspekt im Grunde ausschalten.
Das sagen die Anderen
Die Gamestar hat das Spiel bereits vor einem Jahr einmal getestet und ist zu folgendem Ergebnis gekommen. Wobei ich finde, dass in dem Test der Kampf gegen die Einheimischen zu sehr in den Mittelpunkt gerückt wird. Die im Video zu sehende Produktion ist hoffentlich auch nicht alles, was die Redakteure gebaut haben, denn das ist eine doch noch sehr kleine Fabrik. Wer wirklich perfekt austarierte Anlagen sehen möchte, wird ebenfalls auf Youtube fündig.
Anmerkung zum Testvideo:
Die Bewertungen aus dem Video sind nun schon ein paar Tage alt. Hier die aktuellen Bewertungen (abgerufen am 06.02.2018).
Weiterführende Informationen: